Neue Bildung

Archive - Januar 2015

Unbildung? – Eine Rezension

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Konrad Liessmann, der mit seinem Bestseller “Theorie der Unbildung” für erregte Debatten sorgte, lässt sich von den Phrasen und pseudorevolutionären Verkündigungen so wenig blenden wie von romantischen Vorstellungen und dem Fetisch des Wettbewerbs (Backcover: Geisterstunde – Die Praxis der Unbildung – Eine Streitschrift von Konrad Paul Liessmann).

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http://www.amazon.de/Geisterstunde-Praxis-Unbildung-Eine-Streitschrift/dp/3552057005

In seinem neuen Werk beschwört Liessmann die “Geister der Unbildung” und rechnet gnadenlos mit der Tatsache ab, dass Bildung (heute) nicht mehr glücklich macht und dass Bildungskatastrophen und Bildungsexperten nicht nur Zeichen dieses “Ungeistes” der (nicht mehr statt findenden bzw. fehl geleiteten) Bildung sind, sondern ihn auch noch reproduzieren und befeuern. Wissen verschwindet, (Bildungs-) Disziplinlosigkeit greift um sich, die Bildung wird durch ihre (mulitmediale) Simulation zerstört und Suchmaschinen übernehmen das Denken. Der Mensch regrediert und wird so zum hilflosen Kind einer Zeit, die ihren infantilisierten Protagonisten Verantwortung, “Bildungslust” und “Hausverstand” aus den Köpfen hämmert. Alles ist käuflich und unterliegt dem Konsumzwang einer Online-Shopping-Spaßgesellschaft. Letztendlich verkauft (verschleudert) der Mensch sich selbst und damit eine tragfähige Philosophie postmoderner Bildung.

Nichts und niemand bleibt ungeschoren, wenn Liessmann zum “Halali des gespenstischen Reigens moderner Bildungsunfähigkeit” bläst. Vielleicht stolpert er mitunter auch selbst in jene Falle, die er anderen stellt. Wer weiß wirklich was Bildung ist, sein kann und sein muss – nach 2000 Jahren abendländischer Bildungsgeschichte mit paidea und periagoge, mit imago dei und Bildung zu sich selbst und der Welt, mit Emporbildung, Allgemeinbildung (allen alles lehren), humanistischer und aufklärerischer Bildung, mit Reformpädagogik und programmatischer Bildung, Bildungsempirie und Bildungsforschung, mit (Hoch-) Schulbildung, Berufsbildung, Kompetenzbildung, Bildungsexpansion und Bildungsparadox, mit kategoraler Bildung, Hattie-Studie und europäischer Bildung (Bologna) usw.? Die Reihe wäre endlos fortzusetzen. Vielleicht ist nun die Zeit der Unbildung gekommen und Konrad Paul Liessman ist der, der “ungewollt”, jenseits allen Zeitgeistes, die ultima ratio zum Thema Bildung gefunden hat. Der Autor weiß, was falsch ist und falsch läuft, ob er damit eine tragfähige Alternative zum vielfältig dargestellten Bildungsdrama entwirft, bleibt dahingestellt. Das ist aber auch nicht Ziel einer Streitschrift, die – per definitionem – provozieren, übertreiben, zuspitzen und sogar beleidigen darf. Nicht Sachlichkeit und Entwicklung eines “Best-Practice-Modells”, sondern Streitbarkeit, Wehrhaftigkeit und Demaskierung kennzeichnen sie.

Ich selbst muss gestehen, dass “ich weiß, dass ich nichts weiß”.

(Und das nach 30 Jahren aktiver Tätigkeit im schulischen Bildungssystem samt begleitender Forschungsarbeit).

Nichtsdestotrotz –  Konrad Paul Liessman ist ein Philosoph, der seinem Namen und seiner Berufung Ehre macht. Er hat schriftstellerisch-persiflierendes Talent, jongliert mit Sprache und verleitet, trotz Häme und gnadenloser Schilderung desaströser (Bildungs-) Aussichten, immer wieder zum Schmunzeln. Außerdem ist er durchaus in der Lage seinen Lesern – ich denke das ist Programm – das Gruseln beizubringen.

Fünf Sterne (Smilies und einen Zwinkersmilie ;)  für Liessmanns “Bildungs-Grusel-Streitschrift”), denn wer weiß wirklich was er weiß? :) :) :) :) :)